Strategie «Zukunft Werkplatz Bern» - Stellungnahme zum Entwurf

Fokus Bern äusserte sich im Rahmen der öffentlichen Vernehmlassung zum Entwurf für eine Strategie «Zukunft Werkplatz Bern» der Stadt Bern. Die Unternehmerinitiative reichte die folgende Stellungnahme ein.

Strategie «Zukunft Werkplatz Bern» - Stellungnahme zum Entwurf

Fokus Bern äusserte sich im Rahmen der öffentlichen Vernehmlassung zum Entwurf für eine Strategie «Zukunft Werkplatz Bern» der Stadt Bern. Die Unternehmerinitiative reichte die folgende Stellungnahme ein.

Grundsätzliche Bemerkungen

Es ist wichtig, dass sich der Berner Gemeinderat und die städtische Verwaltung der Bedeutung der Wirtschaft und des produzierenden Gewerbes für den Standort Stadtregion Bern bewusst sind. Gerade in unsicheren Zeiten, wie es uns die Corona-Krise aktuell eindrücklich vor Augen führt, ist eine funktionierende Wirtschaft, die die Versorgung der Einwohnerinnen und Einwohner sicherstellt, Steuern zahlt und damit die Finanzen, den Service Public und Arbeitsplätze in der Region sichert, zentral. Es braucht einen respektvollen Dialog auf Augenhöhe zwischen Politik und Wirtschaft, damit gemeinsam an Lösungen gearbeitet werden kann, die von allen mitgetragen werden.

Die Bemühungen des Berner Gemeinderats, den Werkplatz Bern zu sichern, gute Rahmenbedingungen für das Gewerbe zu schaffen und einen Dialog auf Augenhöhe zu lancieren, begrüssen wir ausdrücklich. Der vorliegende Strategie-Entwurf hat bei uns jedoch einige Fragen aufgeworfen.

Ausgangslage und Einbettung

Im vergangenen Jahr haben auf Einladung des Wirtschaftsamts sowie weiteren Ämtern mehrere Workshops und Gesprächsrunden mit Vertreterinnen und Vertretern der Berner Wirtschaft stattgefunden. Ob und inwiefern diese Treffen Anstoss gaben und in die Strategiearbeiten eingeflossen sind, ist in der Ausgangslage nicht ersichtlich. Hier ist Klarheit zu schaffen. Ist die vorliegende Strategie Resultat dieser Workshops? Welcher Gemeinderat ist federführend?

Weiter bleibt offen, wieso für den Sekundärsektor eine separate Strategie ausgearbeitet wird, anstatt einer soliden Einbettung und Verankerung in der geplanten neuen Wirtschaftsstrategie. Weiter ist nicht nachzuvollziehen, ob auch für den Dienstleistungssektor, der unter anderem den stark geforderten Handel und das Gastgewerbe umfasst, ebenfalls eine separate Strategie angedacht ist. Oder auch, wie die Koordination bei gemeinsamen Herausforderungen und Dossiers, wie beim Wirtschaftsverkehr oder auch bei administrativen Hürden, sichergestellt wird.

In diesem Zusammenhang stellt sich weiter die Frage, welche Dialoggefässe zwischen der Stadt und der Wirtschaft geschaffen werden. Derzeit scheinen die Weiterführung der Sozialpartnergespräche, eine neue Wirtschaftskommission sowie eine Dialoggruppe für den Werkplatz geplant zu sein. Für die Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft ist unklar, wie die verschiedenen Dialoggefässe thematisch und personell koordiniert werden. Wird es eine grosse Runde geben mit thematischen Arbeitsgruppen? Oder laufen die verschiedenen Arbeitsgruppen getrennt voneinander? Auch der Zusammenhang mit geplanten oder bestehenden Strategien, Dossiers und Zuständigkeiten ist derzeit wenig greifbar. Gespräche untereinander zeigen, dass viele offene Fragen und Unklarheiten bestehen.

Aus Sicht von Fokus Bern ist es zudem unerlässlich, dass der Wirtschaft auch in den Legislaturrichtlinien die notwendige Aufmerksamkeit zukommt. Ein erfolgreicher Wirtschafts- und Arbeitsstandort ist kein Selbstläufer. Es braucht verbindliche Legislaturziele zur Schaffung guter Rahmenbedingungen für die Unternehmen, die den Werk- und Arbeitsstandort Bern sichern und unsere Versorgung sicherstellen.

Analyse der Ausgangslage

Gewerbe und Industrie sind von grosser Bedeutung für den Standort Bern. Im Strategieentwurf wird die Bedeutung des Sekundärsektors als Arbeitgeber teilweise dokumentiert. Dies ist wichtig, greift als analytische Grundlage jedoch zu kurz. Neben den nominellen Angaben zu den Vollzeitstellen wären Aussagen zur Wertschöpfung des Sektors, seinem Beitrag zum Steuersubstrat und der regionalen Versorgung oder auch der Anteil von hoch- bis niederschwelligen Arbeitsplätzen von Bedeutung.

Die weiteren Unterkapitel der Analyse und die daraus entstehende Beurteilung enthalten sehr spannende Elemente, bleiben jedoch unstrukturiert und der Zweck erschliesst sich uns nicht ganz. Dies gilt insbesondere bei der SWOT-Analyse, welche vorwiegend eine Sammlung von Massnahmen und Empfehlungen umfasst. Hier empfehlen wir, das Dokument zu überarbeiten. Spannend wären zudem weitere Einschätzungen zu aktuellen Trends wie dem Entstehen neuer Arbeitswelten und -formen oder der Schaffung von Ökosystemen als Teil der Zukunftsvision für den Werkplatz und Wirtschaftsstandort Bern.

Vision

Die im Entwurf aufgeführte Vision irritiert etwas und entspricht nicht dem gewünschten Dialog auf Augenhöhe. Es ist ernüchternd, wenn die Zukunftsvision der Stadt Bern für den Werkplatz darin besteht, einen Anspruch an die Unternehmen zu definieren (mit dem Werkplatz zu identifizieren, zur Entwicklung beizutragen und mitzuhelfen, politische Entscheidungen umzusetzen). Einerseits greift es zu kurz, da eine Vorstellung / Idee fehlt, wie sich der Werkplatz Bern im Interesse der Bevölkerung und der Unternehmen zukünftig entwickeln und wie er aussehen soll. Die fehlende Zukunftsvision für den Werkplatz spiegelt sich auch in den folgenden Grundsätzen wider. Andererseits lässt diese Vision wenig Platz für einen Dialog zwischen der Stadt und den Unternehmen auf Augenhöhe. Das in der Analyse festgestellte fehlende Vertrauen der Unternehmen in einen regelmässigen und verbindlichen Dialog mit der Stadt wird mit dieser Vision leider erneut bestärkt. So wird es schwierig, dass sich Unternehmen ernst genommen fühlen und Vertrauen in das Handeln der Stadt aufbauen können.

Strategie und Handlungsfelder

Die definierten Handlungsfelder, Ziele und Massnahmen enthalten interessante und wertvolle Ideen und Projekte. Namentlich sind Ansätze wie ein Regulierungs-Check, ein Konzept für Werkplatzgebiete oder die Gewährleistung des Wirtschaftsverkehrs zu begrüssen. In der Gesamtheit stellen sich jedoch Fragen nach der Koordination, Abstimmung und Priorisierung der einzelnen Massnahmen. Gerade bei wichtigen Themen wie dem Verkehr, der Regulierung und Fragen zur Raumplanung ist kritisch zu hinterfragen, ob hier eine separate Strategie für einen Sektor Sinn macht. Zum Bespiel ist beim Wirtschaftsverkehr der Tertiär- bzw. Dienstleistungssektor mindestens ebenso stark betroffen wie der Sekundärsektor. In diesem Zusammenhang stellt sich erneut die Frage nach dem Bezug der sektorspezifischen Strategie zur erwarteten Wirtschaftsstrategie sowie die Bildung der verschiedenen Dialoggefässe.


Zusammenfassung

Die Bemühungen der Stadt, stärker mit der Wirtschaft in den Dialog zu treten sowie die Anerkennung der Bedeutung des Gewerbes für den Standort werden ausdrücklich begrüsst. Dies ist ein wichtiger Schritt; vor allem im Hinblick auf die grossen Herausforderungen, mit denen sich die Unternehmen als Arbeitgeber und Wertschöpfer in den kommenden Jahren konfrontiert sehen. Der Strategie-Entwurf enthält wertvolle und zu begrüssende Elemente, wirft in seiner Gesamtheit jedoch zahlreiche Fragen auf, gibt wenig Vertrauen für eine Zukunftsvision sowie verbindliche Ziele und lässt einen Dialog auf Augenhöhe erneut vermissen.


→ Eingereichte Stellungnahme

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